Die ersten Resultate von Sounding Soil zeigen, dass unterschiedlich genutzte Böden unterschiedlich tönen. Foto: Biovision_Sounding-Soil

Verband & Politik | ZeitschriftenLesezeit 4 min.

Orchester der Bodentiere sagt viel über Bodenbeschaffenheit aus

«Sounding Soil» macht mittels Bodensonden und Aufnahmegeräten auf Bodenlebewesen aufmerksam. Interessierte können sich die Geräte kostenlos ausleihen und so die Böden ganz neu entdecken. Je nach Baum und Standort tönt es im Waldboden unterschiedlich.

Sarah Sidler | Es ist eine faszinierende und gleichzeitig verblüffende Welt, welche sich auftut, kaum steckt man die Sonde des Bodenmikrofons in den Boden. Via Kopfhörer hört man dann allerlei: Es krabbelt, knabbert, und kriecht, zwischendurch tönt es nach knarrenden Holztüren, abfahrenden Mofas oder Morsezeichen. Willkommen in der Welt unter der Erdoberfläche, willkommen in der Welt von Sounding Soil! 

Sounding Soil ist ein interdisziplinäres Forschungs-, Kunst- und Sensibilisierungsprojekt, in dem die Geräusche von Bodenökosystemen die Hauptrolle spielen. Im relativ jungen Forschungsgebiet der Öko-Akustik werden Tonaufnahmen verwendet, um die Beziehungen in der Umwelt zu untersuchen. Praktisch jeder Organismus produziert Schallwellen, zum Beispiel durch seine Bewegungen oder durch Kommunikation.  

«Mit Sounding Soil wollen wir die Bevölkerung sinnlich auf die Prozesse und das Leben im Boden aufmerksam machen und damit das Bewusstsein für gesunde Böden stärken», sagt Franziska Fischer, Projektleiterin Sensibilisierung Schweiz von Biovision. Denn der Verlust von gesunden Böden hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen. Ihnen kommt jedoch eine Schlüsselfunktion zu, weil sie unverzichtbare Leistungen erbringen. Sie filtern Bodenökosysteme, speichern und regulieren Wasser, bieten Lebensraum für unzählige Bodenorganismen und stellen Nährstoffe für Pflanzen zur Verfügung. Weiter sind sie in der Lage, toxische Stoffe abzubauen und CO2 zu speichern. Gesunde Böden haben eine höhere Widerstandskraft, können sich besser an neue klimatische Bedingungen anpassen und helfen, Treibhausgase zu reduzieren. Weiter leben dort verschiedene Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien. Letztere drei garantieren die grundlegenden Bodenfunktionen wie die Zersetzung des Streumaterials und die Nährstoffkreisläufe. «Auch im Wald machen Springschwänze, Asseln, Tausendfüsser und Regenwürmer Nährstoffe von Laub wieder zugänglich für die Bäume. Ohne Bodenorganismen würden wir im Laub versinken, es gäbe keinen Wald», so Franziska Fischer. 

Mit den Bodenmikrofonen des Projekts besteht die Möglichkeit, Bodenlebewesen, welche grösser als einen Millimeter sind, beim Fressen, Arbeiten und Kommunizieren zuzuhören. Welche Geräusche von welchen Tieren stammen, ist Teil der Forschung. Je verschiedener die Tiergeräusche in einer Aufnahme sind, umso vielfältiger ist die Bodenfauna. Die akustischen Signale werden gesammelt und auf der Website von Soundig Soil am entsprechenden Standort auf einer virtuellen Schweizerkarte wiedergegeben. Es dürfte besonders spannend sein, den Bodentieren in den Buchenwäldern bei Othmarsingen (AG) und am Bettlachstock (SO) sowie dem Weisstannen- und Fichtenwald bei Guberwald (LU) zuzuhören.  

Neue Beziehung zu Parzelle aufbauen

Franziska Fischer empfiehlt Waldbesitzenden, mittels der ausleihbaren Bodenmikrofone das Ökosystem Wald akustisch und damit neu zu erforschen. «Je nach Standort und Art des Waldes geht es unter dem Boden total verschieden zu und her.» Versuche mit «WALD und HOLZ» zeigten, dass bei einer rund 100-jährigen Eiche in einem südlich gelegenen Mischwald der Stadt Zürich deutlich mehr Lebewesen unterwegs waren als knapp einen Kilometer nördlich davon. Dort, bei einer stattlichen Föhre auf einer mehrheitlich kahlen Fläche, waren kaum Bodengeräusche zu hören. Steckte man die Sonde jedoch in das Moospolster, welches unweit der oberirdischen Wurzeln wuchs, vernahm man leise Lebenszeichen. Spannend wurde es bei einem nahen Haufen Totholz. Es krabbelte, knabberte und wuselte. Unter Nadelbäumen leben generell wenig Bodentiere. Den Regenwürmern ist der Boden wegen der Nadeln zu sauer. Dort sind hauptsächlich Bakterien und Pilze für die Zersetzung von pflanzlichen Resten verantwortlich.

Wer seinen Waldboden akustisch erforschen möchte, sollte raschmöglichst ein Bodenmikrofon bei Sounding Soil reservieren. Zum Bodenhören eignen sich besonnte Plätze mit etwas Bodenbedeckung, welche den Bodenlebewesen Schutz und Nahrung bieten. 

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